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Samstag, 14. März 2015

SAMSTAGSKAFFEE

Samstäglich ausschlafen, aufwachen und zu Hause sein, wenn auch nicht wirklich zu Hause, aber doch in meinem mittlerweile vertrauten Zimmer in Santiago de Chile – so lässt sich ein gutes, mal stilleres Wochenende gebührend eröffnen. Zeit nehmen für mich, fürs Lesen, Ordnung schaffen, Spazieren. Und für Kaffee (mich bei Ninjas virtuellem Kaffeeklatsch einreihend) ...

Radio hören, das Zimmer lüften, Listen machen. 
Kunderas "Fest der Bedeutungslosigkeit" möchte ich ganz bald lesen. Und diese kürzlich preisgekrönten Gedichte auch. Und diesen Franzosen am besten auch, sobald ich zurück in Paris bin. 

Überhaupt schleichen sich schon hin und wieder vorfreudige Gedanken und Ideen für das Leben nach meiner Rückkehr ein. 
Wieder werden die Wege offen stehen.


Aber noch bin ich mit Haut und Haaren ganz hier, im chilenischen Spätsommer, frohen Mutes und vorfreudig auf den Besuch meines Bruders in ganz absehbarer Zeit. Gutes steht bevor.

Mittwoch, 11. März 2015

ZWEI TAGE FLANIEREN IN ARGENTINIEN


Die vergangenen zwei Wochenenden habe ich reisend verbracht und die Wochen dazwischen sind verflogen wie nichts. Das Unterwegssein lässt das Gefühl erwachsen, einen Riesensprung in der Zeit gemacht zu haben. Ich stehe schon mitten im März. Der Sommer ist noch tageweise heiß. Kurz stelle ich mir vor, wie es in Paris gerade Frühling wird (und denke an die guten Dinge im letzten März, wovon ich hier und hier schrieb).

Und ich möchte von zwei wunderbar leichten Tagen erzählen, die ich mit der lieben S, die ich seit meiner Anfangszeit in Santiago kenne, im argentinischen Mendoza verbracht habe. Die Stadt liegt auf ungefähr gleicher Höhe mit Santiago, nur windet sich dazwischen die gewaltige Andenkordillere, die es auf nicht enden wollenden Serpentinen zu überwinden gilt. 


Aber Mendoza belohnt den mühsamen Weg und die langen Grenzkontrollen. Was wir vorfinden, ist lichtbesprenkelte, städtischer Leichtigkeit. Ideal, um sich nichts vorzunehmen und in das Wochenende hineinzuleben ... 

Wir pendeln von einer Plaza zur nächsten, setzen uns, lassen uns guten Kaffee und knusprige Toasts von feingekleideten Kellnern servieren. Wir denken keine komplizierten Gedanken, legen den Kopf in die Hand, reden von meinem F und ihrem J, reden im Plätscherton der Brunnen, gehen weiter ... bleiben vor Schaufenstern mit typischen Lederwaren stehen, probieren Cremes in einer Farmacia aus. Kaufen an der nächsten Ecke wieder etwas zum Naschen, süßen Blätterteig oder himmlisch günstige Minicupcakes.





Ich habe keinen Reiseführer in der Hand. Ich weiß keinen Eckpunkt aus der Stadtgeschichte. Dieses Wochenende ist ganz untouristisch, ambitionslos. Es genügt, es vergnügt, das Ambiente in sich einzusaugen und ziellos zu schlendern. Wir vergleichen das Stadtleben mit dem geschäftigen, lauten Santiago und kommen überein, dass es uns außerordentlich gut hier gefällt und Argentinien mehr Zeit verdient. 




Abends kommt das erinnernde Gefühl vergangener Familiensommerurlaube auf. Wenn die Laternen gelblich durchs Dunkel scheinen und die Plätze mit Restauranttischen vollgestellt sind und es noch heiß in den Shorts ist und alles klebt und alle glücklich wirken. 
Auf der Hostelterrasse zu später Stunde verliert sich irgendwann die Zeit. Bekanntschaften entstehen, jemand holt die Gitarre heraus und man kennt und singt dieselben Lieder, obwohl man sonst scheinbar nichts gemeinsam hat. Man sieht sich nie wieder, vergisst aber vielleicht diese Stunden nicht.




Sonntag, wir packen Klamotten, Proviant und Souvenirs zusammen. Bei der Rückfahrt zieht eine grüne Anzeigetafel vorbei: Buenos Aires in vielen, vielen Kilometern Entfernung. Hört sich so weit an, aber auch so gut. Wollen wir nicht .... ?


Und schon wieder Wochenmitte in Santiago, normaler Gang unseres Praktikums.

Noch mit diesem Lied im Ohr ... 

Mittwoch, 4. März 2015

VERDICHTETE ZEITEN


So beginnen die Tage und Wochen zu stürzen. Die Hälfte meiner Chilezeit ist schon überschritten. Je mehr ich in dieses Leben hier sinke und hineinzupassen beginne, desto weniger vermag ich es, mich aus der Vogelperspektive zu betrachten und zu beschreiben, wie es ist: Wie es ist, morgens auf dem Fahrrad Gedankenfetzen nachzuhängen, ohne auf den Weg zur Arbeit zu achten, weil ich ihn schon so sehr verinnerlicht habe. Wie es ist, sich in einer endlosen Reihe von warmen Sonnentagen mit den Anderen über einen einzigen bewölkten, kühlen Tag dazwischen zu wundern. Wie es ist, nach 20 Uhr im Abendglühen durch den Park zu laufen, zu laufen ... und zwischen Musik und Papageienlachen hindurch die vielen Erlebnisse der Wochenenden sickern und sacken zu lassen. Wie es ist, sich das Fremde vertraut und zu Facetten des Alltags zu machen. So, dass es einfach immer weitergehen könnte, wären da nicht das Vermissen und das Erinnern meines eigentlichen Lebens, das mir so gut passt. Wäre da nicht F, der in Paris auf mich wartet und dessen Zustimmung zu meinen vielen flatternden Plänen einen Halt für mich bedeutet.



Es ist gut, eine begrenzte Zeit hier zu haben. Es bewirkt, dass ich nicht zögere und zaudere, nichts verschiebe, sondern alles erleben, lernen, sehen will, was eben in diese drei Monate passt.

Und ich frage mich, ob man eine Art inneren Speicher mit Lebensintensität anlegen kann, aus dem man schöpft, wenn dünner gesäte Zeiten kommen und nichts zu passieren scheint.


Hier zu sein, bedeutet, mir nochmal ein anderes Leben anzuziehen. Eines, das ich wie einen geliehenen Mantel nur eine gewisse Zeit lang trage. Eines, in das ich auch erst einmal hineinwachsen musste, das mich reizt, kratzt, warmhält. Eines, das ich bald wieder ablegen werde und von dem doch etwas bleiben wird. Verwebt in meine Haut. Verwebt in Bilder und Texte, mit denen ich meine schwirrende Chilezeit wie in einem Schmetterlingsnetz einfange.



So gehe ich ein paar weitere Wochen in Santiago - mit zwei Seelen in der Brust, einer, die die Ferne liebt und maßlos auskosten will, und einer, die die Zeit abzählt und der weh ist nach Heimat und Erdung ...