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Samstag, 2. Mai 2015

WAS BRAUCHST DU

 Was sind das für gute Tage. Obwohl mein Puzzle aus Plänen und Ideen noch ziemlich durcheinander vor mir liegt, ist da so ein Vorgespür, dass sich alles fügen wird: durch meine Bemühungen einerseits, durch ein bisschen Glück andererseits. 



Zwischendurch bin ich endlich mal wieder in die Lyrik abgetaucht (mir ist nach dem Lesen oft, als habe ich mich einmal wieder richtig gut ernährt). Da ist dieses Gedicht, was ich schon vor Monaten entdeckte und wovon mir immer mal Versfetzen durch den Geist gehen. Ein Text, der in wenigen Worten Bände spricht über das Menschsein und die menschlichen, ganz elementaren Bedürfnisse: Ruhe, Schutz, freien Raum, Beziehungen, das Bedürfnis nach Schönheit und danach, sich zu sehnen, zu träumen. 

was brauchst du? einen Baum ein Haus zu
ermessen wie groß wie klein das Leben als Mensch
wie groß wie klein wenn du aufblickst zur Krone
dich verlierst in grüner üppiger Schönheit
wie groß wie klein bedenkst du wie kurz
dein Leben vergleichst du es mit dem Leben der Bäume
du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus
keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach
zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen
zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund
die Gestirne das Gras die Blume den Himmel

– Was brauchst du, Friederike Mayröcker
(Anhören kann man sich den Text in der Lyrikline, einer wunderbaren, virtuellen Fundgrube)


[Der Samstagskaffee geht in die virtuelle Kaffeerunde bei Ninja]
Auch in Paris war gestern Feiertag und alles herrlich still. F und ich fuhren mit dem Moped durch die Straßen. Ich liebe das: wie Fassaden, Cafés, Kreuzungen, Menschen und Boutiquen an mir vorbeiziehen, während ich mich an Fs Rücken klammere und einfach schauen kann, stundenlang schauen könnte, wie einen richtig guten Film. Dabei ist es wieder ziemlich kalt geworden und wir mussten uns den Nieselregen vom Visier wischen. Wir hielten irgendwo an, am Seine-Ufer, zwischen 15. und 16. Arrondissement, um ein paar alberne Fotos auf der Brücke zu schießen und dann etwas essen zu gehen. Als wir wenig später irgendwo im Warmen saßen, mit Blick auf die verregneten Straßen, dachte ich kurz an Chile zurück, wie anders dort alles war und wie phänomenal es ist, wieder zusammen (unterwegs) zu sein, ein bisschen ziellos, leichtfüßig, improvisiert, vor allem aber zu zweit.