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Freitag, 28. März 2014

Ende März – die Gedanken kreisen lassen

Abends nicht nur und nicht nur 
im März sag ich dir sagst du mir
die glückseligen Vier Silben. Im Kirsch
lorbeer twittern die Amseln.

– Ulla Hahn "Nicht nur"

März, März, schöner dritter Monat, warm und kalt, zwischen Winter und Sommer und schon wieder fast vorbei... So oft vom Balkon geschaut und Wolken und Licht dokumentiert. Alles festhalten wollen, was gleich wieder zu Nichts zerbröselt. Von Gold zu Hellblau zu Rosa.




Dich beim Schlafen beobachten. Immer schon so gern. Immer schon mit einer Mischung aus Bewunderung für deine Ruhe und Beruhigung, dass du da bist und nicht fortgehst. 

Und schreiben. Manchmal abends, um den Tag mit Worten zu beschichten, dass er nicht gleich spurlos verfliegt. Manchmal morgens, um alle überflüssigen Gedankenfetzen auf das Blatt zu bannen, um den Tag unbeschwert zu beginnen. 

Ich falte und ordne mich in Listen, Versen, losen Zeilen, einzelnen Wörtern. 

 
Dabei keine Gedanken mehr darum, was mit mir eigentlich noch wird. Nach der Abschlussarbeit, nach dem Studium. Mein Kopf ist so voll vom Jetzt, den Wochentagen, dem Tagewerk. Und so lasse ich auf mich zukommen. Es geht nach meiner Uhr. 

Ich habe nicht die Zeit, bewusst gegenwärtig zu leben und mir gleichzeitig die Zukunft sorgfältig abzustecken. Ich möchte sie auch gar nicht haben. Was kommt, das kommt. So banal es klingt. 

Über den Rand falle ich schon nicht.


Mittwoch, 26. März 2014

Unverhofftes Flanieren in der Rue Mouffetard


Eigentlich war das alles ganz anders geplant. F. und ich sitzen im Auto in einem düsteren Parkhaus und mampfen Fastfood aus braunen Tüten. Sonntag Nachmittag. Eigentlich hätte dieses Mietauto anspringen sollen, schließlich wollten wir jemandem einen schönen Sessel abkaufen und diesen zu uns nach Hause transportieren. Nun springt die Batterie nicht an und ich frage mich, ob dieses Picknick im Parkhaus unser Sonntagserlebnis sein soll.

Wir beschließen, nicht auf den Pannenservice zu warten, sondern unsere Aktion sein zu lassen und stattdessen dort oben in der Rue Mouffetard (5.Arrondissement) spazieren zu gehen. Es ist kalt, windig und hell. Die Rue Mouffetard ist eine belebte, alte Marktstraße, die sich bepflastert einen kleinen Hügel hochwindet. Heute, sonntags, ist es ruhig und nur wenige Geschäfte sind geöffnet. Die Schaufensterauslagen reichen mir als Augenweide völlig.

 Was man hinter den Scheiben sieht, macht Lust auf helle Kleider, Sommer und Leichtigkeit....




Fahrrad vor Fassade und Rosenstrauch. So eins könnte ich auch gebrauchen...



Ein unverhofftes Flanieren also. In der Woche bewegen F. und ich uns fast nur zwischen unserem Viertel und den Orten, an denen wir arbeiten. Manchmal müssen wir uns daran erinnern, mal wieder neue Pariser Straßen, Gassen und Plätze entdecken zu gehen. Diese Stadt ist schier unerschöpflich.

Selbst was wir schon kennen, sehen wir ein paar Monate oder Jahre wieder aus ganz anderen Augen. Manchmal erinnern wir uns an einer bestimmten Stelle, dass wir hier einmal ganz am Anfang unserer Beziehung gewesen sind, und gleich ist der Moment aufgeladen mit erinnerten Bildern und Worten. Paris werde ich wohl nie richtig und ganz kennen. Aber ich weiß, wie sich unser Paris anfühlt.



... und wie es schmeckt! Im Alltag widerstehe ich vielen Versuchungen, die mich in den Straßen anlächeln. Aber dieser hier heute mal nicht...


Etwas durchgefroren machen wir uns auf den Weg zurück nach Hause. Eigentlich unverrichteter Dinge, aber keineswegs frustriert darüber. Ein schöner Gang, Kaffee und Schaufenstergucken können so herrlich versöhnlich stimmen.

Montag, 24. März 2014

Quiche à la Saint-Jean – Erinnerung an einen Sommer

Zugegeben, eine begabte Köchin bin ich nicht. Auch die Palette an Rezepten, die ich über meine Studienzeit hinweg gelernt und gekocht habe, ist nicht besonders breit gefächert. Aber immerhin kann ich behaupten, eines stets auswendig und sehr lecker zubereiten zu können: Quiche in allen Variationen. Was man braucht: einen Mürbeteig und eine Grundmasse an Crème fraîche, Käse und Eiern, die nach Belieben mit weiteren Leckereien angereichert werden kann. 

Meine Lieblingsquiche habe ich damals in Saint-Jean-de-Luz bei meiner Au-Pair-Mutter gelernt. Es war Sommer, der Atlantik blau, die Abende lang und oft stand bei Salat und Wein dieser deftig-duftende Kuchen auf dem Tisch zum Diner... Seitdem habe ich das Rezept immer wieder gemacht und mich sommers wie winters an Saint-Jean erinnert.

Et voilà la recette miracle...

Den Mürbeteig (fertig gekauft oder selbst gemacht) in eine Form auslegen. Feta würfeln, Cherrytomaten halbieren. Alle Zutaten in einer Schüssel mischen, salzen, pfeffern, dazu Kräuter der Provence, etwas Zitrone, eventuell Knoblauch. Die Masse in die Form geben und ca. 40 Minuten bei Umluft 225°C im Ofen backen. Um das Rezept leichter zu gestalten, kann die Crème fraîche mit Joghurt/Saurer Sahne teilweise ersetzt werden. 

Bon appétit!

Damals in Saint-Jean-de-Luz

Sonntag, 23. März 2014

Seiltanz zwischen Leicht und Schwer

"Ich bin aber damit nicht einverstanden,
Dass es schwer sein soll. Ich will es leicht.
Darum übe ich mich, die Schwerkraft zu zwingen,
Übers Seil zu laufen und dabei zu singen, 
Um endlich auf einer Wolke zu landen."
(Wann ist die Balance erreicht?)

(Eva Strittmatter "Balance")






Rot & Blau, leichtfüßig & schwermütig, hell & trüb.

Die letzte Woche war voll von blauen Tagen und roten Abendhimmeln, mancher Tag einfach ins 'Blaue hinein', mancher geordnet nach Terminen. Oft bin ich kaum sicher, ob etwas gestern oder vor 3 Tagen war.





Da waren:

Stunden vor Bildschirm und Hausarbeiten | ausgedehnte Morgenrituale | Nachmittage mit meinem Schützling & seinen vielen Hausaufgaben | viel Metro | viele Birkenpollen | ein langer Babysitting-Samstagabend (bei dem mir F. Gesellschaft leistete) | ein, zwei Spaziergänge im Park mit Notizbuch & Fotoapparat | wenig Kochen & dennoch Küchenchaos | Ansätze von Plänen für die feiertagsreichen April- und Maiwochen.

Manches wurde auch auf die lange Bank geschoben... Mein Alltag ist jetzt so anders, schneller und irgendwie zerrissener, als während der Semsterzeit an der Uni. Es ist manches Mal eine Überwindung, mich wieder in die Theorie hineinzudenken, so umgeben von reizvollen Ablenkungen. 

Ein unglaublich fotogener Himmel im März. Die Kamera muss immer in Fensternähe liegen!

5-6 Minuten... nur noch schnell Kaffeetrinken, Wäsche falten, die Email schreiben ...

Eine gute Woche also. Und die nächste, letzte Woche des Monats steht vor der Tür.

Jetzt aber erst einmal sonntäglich ausruhen.

Freitag, 21. März 2014

Im Jardin des Plantes – ein Rückblick




Erinnerung an letzten Sonntag Hand in Hand mit F. Meine Kraft reicht nur für eine Stunde Spaziergang aus, daher muss das Ziel gut gewählt sein. Wir setzen uns den Bus. Schon seit Freitag sind die öffentlichen Transportmittel wegen starker Luftverschmutzung kostenlos... 
Es geht in den Jardin des Plantes, einen großzügig angelegten Botanischen Garten im 5. Arrondissement. 
Kennt ihr ihn?

Gegen die Spätnachmittagssonne kommen uns zahllose Spaziergänger entgegen. Man sieht beinah nur ihre Umrisse. Wie im Schattentheater. 



In den nächsten Wochen werden die Bäume wieder aufsprießen. Aber auch diese feingliedrigen, kahlen Wintergeäste haben ihre Anmut, finde ich. Es war kaum Winter, da wird es schon Frühling. Oder sagt man das jedes Jahr?

Durch die Zweige blinzelt ein Fensterauge. Schon witzig, wie man versucht, sich in Stadtparks wie in der freien Natur zu fühlen. Un peu de verdure, ein bisschen ins Grüne. Großstadt bleibt es dennoch, das Motorenrauschen hört nie auf. 

 Auf dem Rückweg durchqueren wir noch kurz vor Schließen der Tore den Jardin de Luxembourg. Die Sonne steht tief, wieder viele viele Menschenumrisse. 

So ging der Sonntag zu Ende. 

Nun ist Freitag. Ich sitze am offenen Fenster und es tropft draußen auf den Balkon. Endlich Regen! Die Pollen und die Luftverschmutzung machen mir zu schaffen. Nach so vielen unglaublichen Sonnenstunden bin ich auch gerne bereit, ein paar nasse, graue Tage hinzunehmen. 

Ich wünsche euch einen schönen Tag am Ende der Woche!

Mittwoch, 19. März 2014

Kleine Dinge für die Sinne 1

Mitbringsel vom Wochenmarkt am Tour Montparnasse: Ein Stück Comté | Tomaten | Avocado. Immer und zu allem: Baguette tradition ("pas trop cuite") vom Bäcker Julien.

Nettigkeiten: Fotos und Karten aus Ausstellungen anknipsen | Klamotten anprobieren und wieder verwerfen | Weiße Explosion einiger Parkbäume.
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Gedanke: Etwas nicht schaffen, hinterher sein, vorauseilen, zurückhinken, außer Atem sein, sich vergleichen, ach nein...

... "Schau dich an, deine zifferblättrige Haut – wie spät bist du? nicht nach, nicht vor – die Uhr geht genau nach dir."  (Hansjürgen Bulkowski) 

Montag, 17. März 2014

Abendmomente unter freiem Himmel

Wenig poetisch: Ich stehe eine Erkältung aus. Dabei war das Wochenende nochmal so wunderbar sonnig in Paris. Ich konnte in meinem benebelten Zustand also nicht die üblichen Spaziergänge und Einkaufstouren mit F. machen. Auch für die Uni habe ich außer ein paar Notizen, um mir später das Ausformulieren zu erleichtern, nichts geschafft. Meine Augen fielen vor dem Bildschirm zu und ich konnte nicht weiter denken als bis zu meiner verstopften Nase und dem rauen Hals. Aber auch das gehört zur Achtsamkeit: Akzeptieren, dass man phasenweise hinter seinen Erwartungen zurückbleibt. Und Entschleunigen, bis man wieder zu vollen Kräften kommt.


Vom Sofa aus hat mich dieser seidige Abendhimmel auf den Balkon gelockt. Hier stehe ich, lege meinen Kopf in den Nacken und sauge Luft und Farben in mich ein. 

Zu jeder Tages-und Nachtzeit hält der Balkon einen Fächer an Lichtnuancen, Stadtrauschen und Gerüchen bereit. Da sind Schwalbenflüge und Rufe aus den Straßen, da ist die Pariser Skyline, ein mal scharfer und weitläufiger, mal dunstig-verschleierter Horizont. 
Selbst wenn ich den ganzen Tag drinnen verbracht habe, kann ich hier meine tägliche Dosis Stadtflair einatmen.


Ob ein Leben ausreicht, um jede mögliche Variation des Abendwerdens einmal gesehen zu haben?



    



Ist ein Dächermeer eigentlich auch ein Meer? (schön wärs, mal wieder in heimatlicher Ostsee-Nähe zu sein)
... und wenige Minuten später hat sich alles schon wieder verzogen und es wird dunkel. Liebt ihr auch solche Himmel? 

 

Samstag, 15. März 2014

Die guten Dinge des Lebens

Die guten Dinge des Lebens
sind alle kostenlos:
die Luft, das Wasser, die Liebe.
Wie machen wir das bloß,
das Leben für teuer zu halten,
wenn die Hauptsachen kostenlos sind?

(Eva Strittmatter, aus: "Werte")

Bevor sich der Geschmack von Frühling wieder verflüchtigt, müssen Licht und feine Schatten in Bildern festgehalten werden. Ich kann diesem hellen Wetter in Paris kaum trauen und möchte doch die Tage so verbringen, als wären sie immer so freundlich.
Nein, das Beste kostet (fast) nichts: Luft, Wasser, Sonne, Liebe, Zeit.






Donnerstag, 13. März 2014

Mein Mittwoch. Mit Kind durch die Metropole


Du suchst einen Nebenjob in Paris? Für den Mittwoch wird man hier jedenfalls immer etwas finden. An diesem Wochentag geht die Schule nämlich nur bis mittags und all die berufstätigen Mütter und Väter suchen nach kinderlieben Studenten, die ihre Kleinen bis zum Abend hüten. 

Unterwegs
Ich stehe vor der Schule nahe Place de Clichy und sehe Mathieu aus der Pforte stiefeln. Ich nehme den Ranzen und seine Hand und wir machen uns auf: Er hat gleich einen Fechtkurs und danach Geigenunterricht, wohin ich ihn per Bus, Metro und zu Fuß begleite. Im Bus träumt er vor sich hin und flüstert glasigen Blickes mit seiner Hand. Wir steigen im 8. Arrondissement aus und betreten eine edle Institution, in deren Untergeschoss die Kurse stattfinden. Ich habe eine nette Stunde Wartezeit, die ich in einem weichen Ledersessel in der Eingangshalle verbringe. Herren in Anzügen lesen "Le Monde". Man trifft sich zu Bridge oder Konferenzen. 

Um 3 steuere ich mit Mathieu an der Hand Richtung Metro. Mit seinen acht Jahren ist er schon sehr verständig und hat einen aufmerksamen Geist. Gezielt zieht er mich zu zwei freien Plätzen in der Metro. Er zählt die verbleibenden Stationen herunter, zeigt mir zwischendurch seine Pokémon-Sammelkarten. In einer anderen Welt, farbiger und quirliger, tauchen wir im 18. Arrondissement wieder aus der Metro auf. Wir machen uns einen Weg durch Straßenhändler und laut diskutierende Männergruppen bis zu seiner Musikschule. Mathieu ist sehr bedacht darauf, nicht zu spät zu kommen. Den Plan vom Viertel brauche ich bei seiner Führung nicht einmal. Während er mit seiner in bunte Leinen gekleideten Lehrerin musiziert, nehme ich einen Café nebenan im Institut des Cultures d'Islam.  

Innenhof der Musikschule
 
Im 18. Arrondissement ("Das Hier ist dort")




Es ist um 5. Noch einmal lotse ich Mathieu durch belebte Metrogänge, um ihn in das Viertel seines Vaters zu bringen. Dort gebe ich ihn ab und sehe ihn in die große, parkettausgelegte Beamtenwohnung verschwinden.

Nach dieser Odyssee mit einer so großen Verantwortung an der Hand komme ich erschöpft nach Hause. Mein Geist quillt von Menschen, Ampeln und Stationen über. In Paris ist das "Hier" immer "dort". Ich bin ganz satt von diesem Wechsel... garantiert bis nächsten Mittwoch. 



Dienstag, 11. März 2014

Weißer Morgen über Paris – Tagesrituale & Motivation



weißer morgen
in den decken
auf den tischflächen

ausgestrecktes bett
der dampf von wäschestaub
märz schwirrt in den töpfen

an der tasse saugt
ein tropfen
schläfrigkeit

morgentau tapst auf
porzellanbeinen
alle wände lang
© Lyra 

10 Uhr, die Fenstertür zum Balkon steht offen, draußen ist es hell und diesig. Nachts ist ein pfeifender Wind durch Paris gejagt. F. und ich sind morgens ziemlich kaputt, als wären wir, wie heute Nacht das Fenster, durchgeschüttelt worden. F. geht zur Arbeit, ich nehme mir Zeit. Ein weißer Morgen, schläfrig, in Zeitlupe. Aus den Straßen rauscht es hintergründig hoch ins Zimmer. 
Bis halb 4, wenn es mit der Metro Richtung Job geht, gehört der Tag mir. Tagesrituale, die ein wenig Disziplin erfordern, aber vorankommen lassen: 

Lektüre (erst Uni, dann Schönes) | Wenigstens 1 Seite Hausarbeit schreiben (kleine Schritte gehen den Weg) | Spaziergang | Persönliches Schreiben | Ideen notieren für den Blog. Bei allem Pausen, Kaffee, die Glieder von sich strecken. Vor allem keine Druckmauer aufbauen. Es geht nur voran, wenn es Freude macht. Nicht vergessen, sich selbst auch zu winzigen Errungenschaften zu gratulieren. 

Ich habe schon lange für mich festgestellt, dass sich große Aufgaben leichtfüßiger erledigen lassen, wenn ich sie auf einen längeren Zeitraum aufgeteilt bearbeite. So habe ich schon oft Stress und Zeitdruck vermieden und mir selbst damit ein Geschenk gemacht. Mit der Devise "Augen zu und durch" kann ich mich nicht anfreunden. Ich richte mir die Dinge lieber nach ihrer angenehmsten Variante ein. 

Das mag hedonistisch klingen. Aber jeder dieser Augen-zu-und-durch-Tage ist schließlich kostbare Lebenszeit. Und meine Aufgaben werden mit der Zeit zweifelsohne eher größer als kleiner. Warum sich also jetzt schon den Himmel trüben lassen? Lieber übe ich mich darin, mit Vertrauen und Optimismus all die kleinen Alltagsherausforderungen zu meistern. 
Gebt ihr mir Recht?

Sonntag, 9. März 2014

Mon coeur vagabond... Nochmal unterwegs.

Samstag Mittag, Paris. Ich dränge mich durch die hoffnungslos überfüllte Metro Richtung Ausstieg, rufe "Pardon!", dann "Ich muss hier aussteigen!", schiebe meinen Koffer mit einem Ruck durch die Menschen, während das Signal ertönt, dass die Tür gleich wieder zugeht. Lasst mich raus! Ich hechte im letzten Moment aus dem Wagon. Kurzer Moment des Ausatmens nach der Enge zwischen all den Fremden. Jetzt aber schnellstens zum Zug! Die Rolltreppen sind blockiert von Koffern und im Weg stehenden Menschen. Also die Treppen hoch. Ich schwitze in meinem Mantel, würge mich und den Koffer durch eigentlich automatisch aufgehende Türen. Komme außer Atem am Bahngleis 12 an. Nach dem Adrenalin das Glücksgefühl, es noch so heldenhaft geschafft zu haben! Im Zugabteil versinke ich im Sitz und in den Blick aus dem Fenster.

Wo geht es nochmal hin? Ach ja. Ich fahre an den Ort, an dem ich das Wintersemester verbracht habe. Brauche Dokumente aus der Uni-Bibliothek und möchte mein Zimmer auf Vordermann bringen, um es am Monatsende abgeben zu können. 
Der Zug schält nach und nach aus Paris heraus, lässt die grauen Vororte hinter sich, gleitet in die ostfranzösische Landschaft. Mein Geist regt sich. Nach einem Monat Alltag zwischen Wohnung, Metro, Menschen und Arrondissements erfreut er sich wieder des Unterwegsseins... und Alleinseins. Sonnenlicht bedeckt während der ganzen Fahrt mein Gesicht. Es ist gut, in Bewegung zu bleiben.

Abends mache ich mir Nudeln in meiner Mini-Küchenecke im Wohnheimzimmer und schenke mir den Rest Wein ein, der noch im Kühlschrank gelagert hatte. Das warme Gefühl von Luxus steigt in mir auf. Der Abend liegt vor mir, ich bin allein, es geht mir so gut. 


 Es ist natürlich alles eine Frage der Dosierung. Eigenbrödlerei ist köstlich, wenn man an anderen Tagen Rücksicht nimmt oder sich im Tempo der Tage fremdbestimmt fühlt. Einsamkeit ist belebend, wenn man um ihre Kürze wissen darf (ist sie lang, wird sie schwer).
Ich könnte die ganze Nacht nur am Fenster stehen und dieses Lied hören. 


Ist das etwa schon die leise Wehmut, die man hat, wenn die "schöne Studienzeit" zu Ende geht? 
Kann ich dieses Lebensgefühl von Einfachheit und Ungebundenheit mitnehmen, auch über die Schwelle zum Berufsleben?
Seltsam, wie man so viele Dinge erst zu spüren bekommt, wenn sie zu Ende gehen.