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Samstag, 1. November 2014

ABENDBALLADE UND EIN BISSCHEN CLAUDE MONET


Ein paar Tage vergingen noch mit Besorgungen und Notwendigkeiten und dem Bestehen einer kleinen Herausforderung, die mich der Verwirklichung eines Herzensprojektes ein Stückchen näher bringt. 

Da ist sie nun, die Zeit nach dem Studium, das Zwischendasein, die Erleichterung und das Plänetüfteln.

Zeit für lange Runden allein durch die Viertel und für ein bisschen künstlerisches Flanieren. Da war diese schöne Impressionisten-Ausstellung im Musée du Luxembourg: Gemälde, in die der Blick eintaucht, wo er Farben und Stimmungen fischt, um sie zurück mitten in den eigenen Gemütsspeicher zu betten. Irgendwie hat mich besonders Monet gefesselt, obwohl man ihn doch schon hier und da zu genüge gesehen hat. Es waren gerade nicht die Seerosen noch die Kathedrale von Rouen, die ausgestellt waren.

C. Monet: Méditation (Madame Monet au canapé)
C. Monet: Le jardin de l'artiste

C. Monet: Liseuse


Der Abend fällt nun früh über die Stadt, oft in einem warmen rötlichen Farbenspiel, das alles Unruhige merkwürdig beruhigt. Es ist die Tage noch so mild, dass man ohne Jacke auf einer Caféterrasse sitzen kann. Herbst ist bestimmt meine liebste Zeit in Paris.


C. Monet: Effet d'automne à Argenteuil









[... und mir kommen ein paar Zeilen aus E.E. Cummings Paris-Gedichten in den Sinn, die man nicht verstehen muss, und dann doch etwas versteht vom Wind der vor 100 Jahren in der Stadt wehte. Ich glaube, ich bin gerade etwas besessen von Texten, die irgendwann in irgendeiner Pariser Dachkammer geschrieben worden sind]


« Ici ? » – « Ah non, mon chéri ; il fait trop froid » –
they are gone : along these gardens moves a wind bringing 
rain and leaves, filling the air with fear
and sweetness ... pauses. (Halfwhispering ...halfsinging
stirs the always smiling cheveaux de bois)




Montag, 27. Oktober 2014

ALTE ZEIT & NEUE ZEIT


Nun! Der Wind dreht sich, Jahreszeiten wechseln einander ab, die Uhr wird zurückgestellt. Unsere brasilianischen Nachbarn gehen nach einem Pariser Jahr zurück in ihr Land. F. tritt eine neue Arbeit an. Der Park schließt plötzlich ganz früh. Die Abende sind auf einmal wieder dunkel. Viel verändert sich. Und auch bei mir: Meine Masterarbeit habe ich vor fünf Tagen aus der Hand gegeben. Hinter mir liegt die letzte Prüfung dieser fünfeinhalb Jahre Studium. Die Tage vor der Abgabe waren zwar konzentriert, aber nicht stressig. Es hat sich ausgezahlt, früh angefangen zu haben, schon lang vor der vorgegebenen Bearbeitungszeit. Nur so hat es funktioniert, gleichzeitig zur der Abschlussarbeit jobben zu können, Paris zu genießen, Wochenenden mit F. zu verbringen, zwischendurch mal eine Woche wegzufahren. Auf diese Art ist die Arbeit kein Crashkurs geworden, sondern ein monatelanger lehrreicher Weg: Manchmal mühsam, manchmal begeisternd, in jedem Fall impulsgebend (wer einen Blick auf die Thematik werfen möchte, der klicke hier).

Nun? Langsam räume ich mich innerlich und äußerlich auf. Am Wochenende habe ich kiloweise Papier, Kopien und Mitschriften aus meinen Studienjahren sortiert und aussortiert. Die Bücher stehen wieder in den Bibliotheken. Der Laptop bleibt (wann gab es das das letzte Mal?!) tageweise ausgeschaltet. Langsam blättert diese nun "alte" Zeit von mir ab. Ich bin auch ein wenig wehmütig. Möchte noch weiter lernen, erfahren, probieren.

Die Woche beginnt ganz hell und golden, schöne Ouverture für einen neuen Abschnitt. Ich nehme sie mir zum Spazieren, für diese und jene Ausstellung, zum Ausatmen und zum Lesen.
Die Franzosen freuen sich über ihren literarischen Nobelpreisträger Patrick Modiano und ich freue mich über seinen Roman in meiner Tasche: Dans le café de la jeunesse perdue / Im Café der verlorenen Jugend. Sich mit Geschichten Anderer zu füllen, tut gerade gut. Wie spielt das Leben, wie verlaufen die Wege, was verändert die Menschen? Auch Lieder erzählen Geschichten, ihr Klang macht leicht, wie dieser.   




[Immer immer wieder im Jardin du Luxembourg]




« Der Herbst ist für mich nie eine traurige Jahreszeit gewesen. Der Blätterfall und die kürzer werdenden Tage haben mir nie das Gefühl gegeben, dass etwas zu Ende geht, vielmehr dass etwas Zukünftiges zu erwarten ist. Die Luft ist elektrisch aufgeladen in Paris, an Oktoberabenden, wenn die Nacht hereinbricht. Selbst wenn es regnet. Ich bin nicht trübsinnig zu jener Stunde, noch habe ich das Gefühl, die Zeit laufe davon. Mir scheint, dass alles möglich ist. Das Jahr beginnt im Oktober. »

– Passage (frei übersetzt) aus Patrick Modiano: Dans le café de la jeunesse perdue

Sodenn, ein neues Jahr beginnt!

Donnerstag, 16. Oktober 2014

OKTOBERMOMENTE (AUF & AB)



Eine verdichtete Zeit ist dies, undzwar weniger im poetischen Sinne, als hinsichtlich ihrer Dichte an Herausforderungen, die mir mein Weg gerade stellt. Nächste Woche verabschiede ich mich von meiner Masterarbeit: ich sehe sie vor meinem inneren Auge schon ausgedruckt und gebunden, fix und fertig, wie ich selbst. Dass sich alles gelohnt hat – das eigenwillige Thema, das (manchmal mühsame) Schreiben in der Fremdsprache, die sieben Monate Arbeit – glaube ich schon jetzt. An jeder Seite, die ich gelesen, die ich getippt habe, habe ich gelernt. Und es geht mir darum, wieder eine große Hürde zu meistern, ohne Drama und Angst, sondern mit Ausdauer, Selbstmotivation, Interesse. Dass es auch erschöpfend war, gehört dazu, erleichtert danach umso mehr. 

Tatsächlich habe ich an vielen Tagen nicht mehr von Paris gesehen als die vier Wände unserer Wohnung, den Supermarkt, den Park. Die Métro, die Babysitting-Kinder. Während da draußen überall spannende kulturelle Dinge passieren, Ausstellungen kommen und gehen, Filme Premiere haben, Musik in Kabaretts gemacht wird. Aber die schöne Zeit des Flanierens kommt bald wieder. Auch die der Muße für das Schreiben, für das Spielerische. Und schaue ich zurück, waren doch auch einige besondere Momente im Alltag verborgen:
Windige Vormittage im Jardin du Luxembourg, wo es herbstlich menschenleer und zauberhaft wird.
Eine Verkleidungsparty mit Champagner und der dösige Katertag danach.
Etwas Nettes kochen.
Auf F. warten.
Hier und da ein Zeitfenster für Tagtraum und Gedichte.








Frohsein wie ein Hampelmann (gebastelt von meinem "Mittwochskind"), trotz Verdrehungen und Dünnhäutigkeit, wär doch eine gute Devise?


Sonntag, 5. Oktober 2014

INNENLEBEN

Ich tauche kurz auf, mit ein paar stillen Bildern und Worten in der Hand. Noch komme ich nicht hinterher, den Fluss der Tage und Ereignisse zu filtern. So also nur eine kleine Momentsaufnahme zum Sehen, Lesen, Hören der letzten Zeit.

lass. sieh dich nicht um. verzeih, dass liegen blieb
was liegen blieb, denn eingedenk der wirrnis
beim erwachen ließ ich den morgen wie er war 

– Nadja Küchenmeister, aus : Der Sperling



Gute, stille Lyrik fährt mir den Puls runter und weckt alle Sinne, obwohl doch nur das Auge liest.

[…] und dort am rand des blickfelds stieg und 
sank der augentrost, der sperling, in den tag. verzeih, dass
ich ihm folgte, folgte, nur immer folgte nach und nach 

 – ebd. 

Augentrost, das brauche ich, wenn mir das Alltagsunkraut aus Aufgaben und Uhrzeiten bis ans Kinn wächst.
Und auch Ohrentrost. Rauf und runter spielten sich die Weepies die letzte Woche durch mein Zimmer. Echte Herbstmusik.

Ab und an, am liebsten oft, versinke ich in Stefan Zweigs «Die Welt von Gestern», der Welt des beginnenden 20.Jahrhunderts, Zeit der künstlerischen Euphorien in Wien, Paris und London ...

«Für das erste Jahr der eroberten Freiheit hatte ich mir Paris als Geschenk versprochen. Ich […] wusste, dass wer als junger Mensch ein Jahr dort gelebt, eine unvergleichliche Glückserinnerung durch sein ganzes Leben mitträgt. Nirgends empfand man mit aufgeweckten Sinnen sein Jungsein so identisch mit der Atmosphäre wie in dieser Stadt, die sich jedem gibt und die keiner ganz ergründet.»



















Dieser erste kalte Sonntag seit langem, langem gibt schon den Geschmack von nahendem Jahresende. Es geht in großen Schritten auf die Abgabe meiner Abschlussarbeit zu ... und dorthinter wartet schon ein nächster Schritt. 


Montag, 29. September 2014

MINUIT à PARIS – KLEINER NACHTSPAZIERGANG

Paris wird zur Stadt der Lichter, wenn es dunkelt. Noch sind die Abende ganz lau.
Zur Apéritif-Zeit steige ich aus der Métro und geh an all den Terrassen vorbei, wo, eng beieinander, Menschen reden, Gläser klirren, Zigaretten glühen. Wo auch ich ab und zu sitze, denn in Paris verabredet man sich besser draußen, wo das Ambiente schwirrt, als in unseren winzigen Wohnungen, wo das Sofa meist gleichzeitig das Bett ist.
Das Wesen der Pariser Straßen wandelt sich bei Nacht. Nichts Schöneres, als jetzt gemächlich unterwegs zu sein.

La Rotonde

La Rotonde ist ein legendäres Café-Restaurant an der Schnittstelle vom Boulevard Montparnasse/ Boulevard Raspail. Simone de Beauvoir wuchs just in der Wohnung über dem Café auf [sehenswert übrigens der Spielfilm über De Beauvoirs und Sartres besondere Liebesbeziehung : in voller Länge hier].
Unzählige Künstler und Schriftsteller (Picasso, Modigliani, Cocteau, Hemingway ...) gingen hier einst ein und aus, verweilten stundenlang bei einem Café für 10 centimes. La Bohème!
Könnte man die Zeit einmal um 100 Jahre zurückdrehen ...

Le Dôme
Ebenso berühmt wie La Rotonde ist das Fisch-Restaurant Le Dôme. Bis spät in den Abend hinein kann man am Verkaufstand frische Austern, Langusten und Garnelen erstehen. Durch die Scheiben des Café-Bereiches habe ich neulich den Schriftsteller Eric-Emmanuel Schmitt erspäht. Auch manchem französischem Schauspieler habe ich in diesem Viertel (zwischen 6. und 14. Arrondissement) schon mit leuchtenden Augen hintergeschaut.


In manchen Pariser Ecken wird es abends doch auch einmal ruhig ...


Schaufenster werden doch eigentlich interessanter, wenn die Boutiquen geschlossen sind (und die Puppen so merkwürdig bleich aussehen).

Mitternachts-Paris, Lichter-Paris, Geschichten-Paris ... all das mag ich so, all das lässt sich nicht erschöpfen.

Mittwoch, 24. September 2014

WENN IN PARIS DER HERBST EINZIEHT


der park altert
im milchigen septemberlicht
 
den wegen fallen die
verbrannten schuppen
auf die schultern

unter unsern sohlen
knacken die abende kurz auf

auf angewinkelten armen
lehnt der herbst
am sims der stadt

(© Lyra – Herbst in Paris)

Wie konnte ich nur über das lange Jahr, über Sommersehnsüchte und weiße Nächte, vergessen, wie schön der Herbst ist? Herbst, der eigentliche Seelenmonat.
Hymne an das Leben, im Vergehen begriffen.
Jedes Jahr eine Erinnerung an die Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit aller Dinge, aber keine schmerzhafte, eine versöhnliche.
Melancholie ist kein Abgrund, sondern, wie Victor Hugo sagt, das Vergnügen traurig zu sein.



In Paris erlebt man den Wechsel der Jahreszeiten am intensivsten in den Parks. Heute war ich vormittags mit meinem "Mittwochskind" im Jardin des Plantes unterwegs (kastaniensuchend, bäumeschauend). Gegen Abend lief ich dann noch allein durch den Jardin du Luxembourg. Daher wohl mein heutiges Aufgeladensein von warmen Farben und holzigen Herbstgerüchen.


Und nun gehe ich, ganz ohne Sommerbedauern, in diese raschelnde, rauschende, rieselnde Zeit hinein ...

[ Einen wunderbaren Soundtrack für den Herbst habe ich hiermit auch schon gefunden.]

 
Habt einen wunderbaren Herbst!
Alle Fotos: In und um den Jardin du Luxembourg

















Samstag, 20. September 2014

DIESE MORGENDE ... EIN HERBSTBEGINN.

Angekommen im Wochenende, Zeit, diese Tage revue passieren zu lassen, die zwar zwischen Masterarbeit, Jobben und Zukunftplänen manches Mal erschöpfend, aber auch wunderbar hell, spätsommerlich und belebt sind. In den Straßen unten wimmelt und wuselt es nur so von Schülern, Studenten und geschäftigen Menschen. Überall sind die Terrassen gefüllt, im Jardin du Luxembourg luxt man sich die besten Plätze in der Sonne ab ...



Die Septembermorgende sind kühl und klar, bevor sie sich langsam erwärmen. Morgens ist man noch so leer innerlich, da kann noch Gutes gesät werden. 
Wenn ich mir die Zeit nehmen kann, setze ich mich erstmal zum Lesen, Schreiben und Kaffeetrinken auf den Balkon und fülle mich ganz langsam mit Gedanken und Worten. Danach gehe ich irgendwie friedfertiger und gelassener an die Arbeit.

[Der Kaffee geht ein weiteres Mal samstäglich zur ihr.]



F und ich haben uns an Tomaten versucht. Lange hat es gebraucht und zu wenig Sonne gab es wohl die Monate über, aber nun, im warmen September hängen und röten dort erste winzige Kirschtomaten. Auch der kleine Rosenstrauch, den ich mir im Juli geschenkt habe, steht duftend in Blüte. 
Das sind wohl die kleinen Dinge für die Sinne (erinnert ihr euch? wie hier oder hier), durch die uns der September mit dem Herbst versöhnen will ... 

Dann gibt es einen vorerst letzten Blick über Paris, bevor ich dann drinnen Bücher, Order und Laptop wieder aufzuschlage. Ganz langsam geht es mit dieser langen, guten, zähen, erschöpfenden, begeisternden Abschlussarbeit dem Ende zu. Wie war es überhaupt nochmal ohne sie?


Und ganz bald gibt es hier auch wieder mehr Bilder aus der Paris, von unseren Spaziergängen & Erkundungen. Es gibt noch so viel zu erzählen! Bientôt.

Dienstag, 16. September 2014

AM HAFEN VON WIECK... UND EIN SONNENUNTERGANG


An einem dieser sommerwarmen Septembertage, die ich in der Heimat verbringen konnte, war ich mit der Familie in Wieck, einem ehemaligen Fischerdorf bei Greifswald. Der kleine Ort mit seinem Fischereihafen liegt am Fluss Ryck, der in die Ostsee mündet.

Friedlich und mit einem Gefühl von Urlaub kann man hier spazieren. Es ist einerseits klein, so zwischen den Fischbrötchenbuden und Anglern, anderseits spürt man einen Sog von Weite, der vom nahen Meer ausgeht.

Schöne Sonne, die aufgeht, ihr Werk nicht vergessen hat
Und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag
An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt die Segel
Über dein Auge ziehn, bis du müde wirst und das letzte verkürzt. 
[…]
Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt,
Daß ich dich wieder sehe und daß ich dich wiederseh!

(Aus : Ingeborg Bachmann: An die Sonne.  
Heute morgen beim Lesen auf dem Balkon entdeckt 
und zugestimmt)

Mit meiner Schwester sitze ich am Kai. Spiegelbilder sind übers Wasser gesät.
Mein Bruder steht übers Geländer gelehnt an der Mole und sucht die Tiefen mit den Augen nach Fischschwärmen ab (träumt er von seiner Angel?).

 Später wird das Licht samtig-schwer und gleitet in einem grandiosen Sonnenuntergang hinab in den Abend. Es fängt an zu nieseln: tausend zarte Nadelstiche auf der Wasseroberfläche. Dabei unter einem großen Terrassenschirm sitzen, erzählen und innerlich ganz langsam den Sommer zusammenfalten ...