Seiten

Donnerstag, 31. Juli 2014

ZURÜCK AUS DEM SÜDEN

Wir tauchen wieder auf aus einer Woche in Andalusien. Die Haut fühlt sich noch ganz glühend an von der spanischen Sonne. Auf der Zunge schmecke ich beinah noch das Salz des Mittelmeeres. Im Ohr klingt die schnelle, feurige Sprache lebensfroher Südländer nach. Und viele ungeordnete Eindrücke von Städten, Menschen und Landschaften schwirren im Geist. Ich möchte sie nicht so schnell verlieren, sie nicht zu rasch überspülen lassen von Paris, das so ganz anders ist: Elegant, mächtig, städtisch, mondän kommt es mir vor nach den Tagen in warmen Farben, mediterraner Vegetation und kalkweißen Häuserwänden.   

Und alle meine Gegenstände,
so viele unnütze Gegenstände,
lagen auf dem Feld
und warfen lange Schatten
in der Abendsonne.
Weiter unten am Weg
glühten drei rote Mohnblumen
bei einem Ölbaum.

(– aus Hilde Domin: Abschied aus Andalusien)

Mit zwei Gefühlen komme ich zurück zu uns nach Hause: Mit der Dankbarkeit für unser vertrautes Pariser Nest, wo alles klein, übersichtlich und nach unserer Lebensart zusammengefügt ist. Und mit der Wehmut, dass das Zwischenspiel zu zweit in Spanien vorbei ist und jeder Tag uns von den eingesammelten Sinneseindrücken entfernt. Die Koffer bleiben noch unausgepackt, der Strohhut bedeckt noch die Bücher und Kopien, in die ich mich wieder vertiefen soll, und gleich morgens zieht es uns in die pralle Sonne auf den Balkon, um noch nichts von diesem Sommer zu verabschieden. Wie gut und beruhigend, dass er noch lang ist!

Ich legte meinen Kopf
auf die Schreibmaschine
und sah in den Himmel,
und die eiligen Schwalben
wie Weberschiffchen
woben mir ein Dach,
ein durchsichtiges Dach
aus den Bahnen von hellblauem Nichts
über meinem Kopf.

(– aus Hilde Domin: Abschied aus Andalusien)


Wir kommen innerlich wieder an und bleiben im gelassenen Rhythmus der Ferien.
Es bleibt noch so viel zu sichten von der vergangenen Woche: die Fotos, die flüchtigen Notizen im Reisetagebuch, neue Gedankenwinkel, die sich gebildet haben. Das möchte ich alles nicht verfliegen lassen.

Bis dahin ... habt es gut!


Sonntag, 20. Juli 2014

IN SOMMERZÜGEN ... NACH LOTHRINGEN

Sommer ist:
wenn das Zimmer bei halbgeschlossenen
Jalousien vor sich hin dämmert,
wenn eine einsame Fliege brummend
das Freie sucht und nicht findet,
wenn draussen Zikaden zirpen
bei brütender Hitze, während über
die Fliesen Lichthasen huschen,
zitternd weisse Geschöpfe,
und Vasen, Töpfe, Krüge als
Stilleben gänzlich ruhen.


– Ilma Rakusa, "Sommer"

Und Sommer ist auch das Reisen in leisen Zügen durch die weite Landschaft. Das Dösen am Fenster mit beinah zerliebter Musik in den Ohren, durch die noch das Rattern der Fahrt dringt. Unterwegssein, einmal wieder in den Osten Frankreichs, zu Besuch ins lothringische Metz.

 Sommer ist auch das Ankommen am Bahnhof, in der Mittagshitze. Mit leichtem Gepäck die Freundin zu erwarten und einander in Wortschwällen die vergangenen Wochen zu erzählen.


Sommer ist, durch die Stadt zu schlendern, durch schattige Straße und über stille Plätze. Zum Campus zu gehen, wo wir ein paar Monate zusammen studierten, und jenen langen Winter zu erinnern.


 Sommer ist auch, am Wasser zu sitzen, bei Weißwein und im Schwirren der Libellen. Zu träge zum Fotografieren zu sein und lieber Worte plätschern zu lassen ...

... um irgendwann spät abends in leichte Decken zu fallen.



In Sommerzügen durch weite Landschaften zurück. Das sind die Fahrtstunden, in denen der Geist wandert und an kaum ein Hindernis stößt. Kennt ihr es? Ein leichtes Flattern, Träumen, Erinnern. Summertime ... and the livin is easy. So ist es.

 

Dienstag, 15. Juli 2014

EIN LANGER VIERZEHNTER JULI

Das ist der Tag, an dem Frankreich feiert. Sich an die Revolution erinnert, den Sturm auf die Bastille, die bald darauf ausgerufene Erste République. Es ist ein Tag, an dem ich morgens von Fliegergeräuschen aufwache und von Weitem die pathetische Musik der Paraden hereinweht. Diese feierlichen Aufmärsche auf den Champs Elysées kann man finden, wie man möchte ... dass es einen Feiertag mitten im Juli gibt, ist zumindest nicht unangenehm.

F. und ich machen uns feiertäglich auf einen langen Spaziergang, wie wir es schon so oft gemacht haben. Einfach losgehen, erzählen, beobachten, bekannte und unbekannte Straßen nehmen, weiter, immer weiter. Wir gehen unser 6.Arrondissement hinunter bis zur Seine, an der wir bis zum Jardin des Plantes entlangschlendern. Am Wasser sitzen und picknicken Menschen – endlich wieder Sommergefühle ... die manche sogar zu spontanen Tänzen inspirieren.  


Unser Spaziergang geht noch lange weiter und am Ende kommen wir wieder im Jardin de Luxembourg an, wo ich meine Beine ausruhen kann.
Ich frage mich, ob es überhaupt einen anderen Weg gibt, so eine Stadt wie Paris halbwegs zu begreifen, zu fassen, als häufig lang, lang zu gehen, mit offenem Blick einzusaugen und gleichzeitig halbträumend Gedankensprünge zwischen Erinnerungen und Assoziationen zu machen.

Abends fahren wir zu Konzert und Feuerwerk zum Eiffelturm, wo schon Tausende das Champs de Mars füllen und Anna Netrebko auf der Bühne steht. Im Abendrot scheint die Luft zu vibrieren: die Musik, die Sommerwärme, die überwältigende Menschenmasse ...


Bis sich diese Energie im Feuerwerk entlädt und sich die Lichter in den Augen der Menschen spiegeln. F. steht hinter mir und meine Beine sind so erschöpft vom Tag. Merci la France, für diesen schönen Feiertag. Auch ich spüre da nachts vor dem Eiffelturm, wieviel mich mittlerweile mit diesem Land verbindet. Bald sieben Jahre her, dass ich für ein Jahr kam und dann eine längere Geschichte daraus wurde. Die erzähle ich ein andermal ...
 

Sonntag, 13. Juli 2014

AUFWÄRTS (TROTZ REGEN)

Über Paris sieht es tagsüber noch immer aus, als wär es November.
Aber immerhin bin ich genesen und freu mich über die wiedergewonnenen Kräfte. So eine unfreiwillige Auszeit kann einen ganz schön läutern. Da ist nicht nur der Vorsatz, in Zukunft achtsamer mit mir zu sein, sondern auch die Einsicht, dass ich mir häufig Druck mache, wenn es eigentlich nur um Kleinigkeiten geht.

Diese drei, vier Tage haben mir Stille in den Kopf geweht. Und den Gedanken an den Sommer, den ich beschließe, zu genießen. Und plötzlich steht die zu schreibende Abschlussarbeit gar nicht mehr so übergroß vor mir. Die beste Entscheidung, die ich treffen konnte: Doch noch ein Flugticket nach Hause zu buchen, um am Sommerende ein paar Tage mit meinen Lieben im Norden verbringen zu können. Und noch ein paar andere wachsende Pläne im Kopf.



Auch habe ich mich wieder hinausgewagt, erst nur auf den Balkon (wenn es gerade nicht regnete), dann auch ein paar Stunden in die Stadt und die Geschäfte. In unserem Viertel wird es langsam ruhiger, viele sind in die Ferien gefahren. Fehlt nur noch die Rückkehr des leichten, sommerlichen Flanierens, das ich vermisse.


Und nun ... (natürlich daumendrückend den 11 gleich für DAS Finale) träum ich mich in gute Aussichten.


Donnerstag, 10. Juli 2014

SCHLÄFRIG IN PARIS

Schläfrig ist die Stadt. Juli ist es. Und es regnet. Über den Dächern ist der Himmel grau verhängt. Die Pfützen in den Parks werden zu Teichen. Zumindest stelle ich mir das vor. Denn seit zwei Tagen habe ich keinen Schritt hinausgesetzt. Nach ein paar weißen Nächten (Mückenkämpfe. Schlaflosigkeit.), ein paar Mal im Regen nass geworden sein und drei, vier eng gequetschten Metrofahrten hat es mich erwischt und ich muss krank aussetzen. Um mich herum: Nichts als diese vier Wände und das Nieseln am Fenster.




Die Welt bleibt draußen. Vom Fenster aus scheint auch die Stadt zu kränkeln, so grau in grau und melancholisch, fast mitten im Juli. Wohin ist der Sommer? Was ist mit Leichtigkeit?


Also verbringe ich die Zeit in Decken und Kissen mit Tee, Film und Buch, vor mich hindösend. Was wohl der Rest der Welt macht, die Leute draußen, die Menschen in den Büros? Mir scheint von meinem Elfenbeinturm aus, dass ganz Paris brachliegen muss, so wenig Geräusche dringen herein. Das Telefon klingelt nicht. Die Nachbarn hört man nicht. Wie spät es wohl überhaupt ist?


Nur gut, dass F. einen guten Teil des Tages bei mir ist. Die Gespräche halten den Geist wach.



Was gibt es der Welt zu sagen? Nicht viel. Vielleicht: Gute Nacht.

Dienstag, 8. Juli 2014

PERSPEKTIVEN ...

... gibt es in Paris (und wo auch immer) unendlich viele. Meist ist es die eine: In einer Straße im Schatten hoher Fassaden zu gehen, mit leichtem Tunnelblick, gerichtet abwechselnd auf die Passanten, denen man ausweicht, und den Boden unter den Füßen.
Aber es gibt auch andere Aussichten.

Die von oben zum Beispiel (hier vom Triumphbogen aus) ...

 Manchmal gibt es Fenster, die sich auf gläsernen Tischplatten spiegeln und den Blick plötzlich in Himmelstiefen sinken lassen ....

 Es gibt die Perspektive aus dem Rückspiegel, in den sich zuweilen behebig-stolze Bauten schleichen (Notre Dame de Paris zeigt uns den Rücken) ...


 ... aus hohen Etagen kann man ab und an den Aufstieg von Vollmonden über die Stadt beobachten ...

... oder aus noch höheren Lagen auf die Dächer von Paris schauen ... 

... oder mitten hinein in die Kastanienkronen knipsen, die nur jetzt noch so grün-gewaltig ineinander greifen. Im Laufe des Sommers spürt man so schnell wieder, dass der Jahreszenit überschritten ist und die Farben langsam trocknen und trüben ...

 ... es gibt auch Perspektiven, die sich übereinanderlegen und ein neues Bild ergeben. Wenn man eigentlich durch das Fenster fotografieren will und dabei das eigene Spiegelbild miteinfängt. 

Und der Alltag hält noch so viele Perspektiven parat : aus Winkeln & Fenstern, von Dächern & Kirchtürmen, durch Brillen & Linsen.

Blicke auf Heute & Gestern, auf Details & auf das Ganze, ins Innen & aufs Außen.

Samstag, 5. Juli 2014

IN RAHMEN UND FARBEN


Vor Kurzem habe ich einen ganzen Stapel nicht mehr ganz neuer Fotorahmen geschenkt bekommen. Wie unten zu sehen, verströmten sie im Urzustand allerdings eine eher altmodische Aura. Nachdem die Rahmen ihre Zeit dann einige Wochen in einem Versteck neben dem Sofa gefristet hatten, packte es mich diese Woche plötzlich, ihnen einen neuen Anstrich zu verleihen.
Es war Abend und ich allein zu Haus. Auf dem Balkon, wo es zurzeit unendlich lang hell ist, machte ich mich kurzerhand mit Pinsel und Farbe ans Werk.

Eine sorgfältige Bastlerin war ich leider noch nie ... hier und da ein wenig übermalt, ließ sich die Farbe hinterher glücklicherweise noch abkratzen. Wie auch immer, nun strahlen die Rahmen und dürfen in Benutzung kommen. Ein paar stehen nun schon bebildert auf dem Regal. Und ich bin nicht wenig stolz, zwischendurch kurz mal kreativ gewesen zu sein.



































°°°

Die kleinen Kunstdrucke zeigen übrigens Werke des rumänischen Künstlers Horia Bernea, über den mir in Paris durch Zufall ein Heft in die Hände gefallen ist. Ich konnte es nicht einfach so wegschmeißen und habe damals die schönsten Seiten ausgeschnitten... zum Glück!

Horia Bernea (1938-2000) – Coloana (Die Säule)



Freitag, 4. Juli 2014

PARIS 1900 ... LA BELLE EPOQUE

Schon seit Wochen blinzelte mich dieses Plakat einer großen Ausstellung über das Paris von 1900 im Petit Palais an, wenn ich durch Metrogänge schlenderte. Und schon allein dieses Plakat brachte mich zum Tagträumen ... das Paris der frühen Kabaretts, der feinen Damen mit Hut und Sonnenschirm. Das Paris von Marcel Proust, das der ersten Metros, der ersten Filme, der Kunst- und Literatursalons. Eine Welt im Glauben an Fortschritt, vor den Weltkriegen, vor der Entzauberung des 20. Jahrhunderts.

Diese Woche habe ich mich dann endlich tatsächlich in den Bus gesetzt, um die Seine zu überqueren und zum Petit Palais (der wie der Grand Palais im Jahr 1900 zur Pariser Weltausstellung konstruiert wurde) zur Ausstellung "Paris 1900" zu fahren. Da weder F. noch eine Freundin zur Hand waren, ging es, was ich mitunter auch sehr gern habe, alleine los.


Und es war einer meiner schönsten kulturellen Ausflüge der letzten Monate. Keiner, der anstrengt und einen durch endlose Museumsauslagen treibt. Sondern einer, der inspiriert, den Geist öffnet, hält, was er auf den Plakaten verspricht.

Einmal die Zeit zurückdrehen und in jenem Paris flanieren gehen, wo sich Arm und Reich in Cafés und Kabaretts amüsierten, wo Rilke auf Rodin traf, wo die Damen in den Korsetts keuchten, die Coco Chanel ein paar Jahre später für immer auftrennen sollte ...





Der kleine Palast ist übrigens schon an sich eines Besuches wert. Pompöse Deckengewölbe, glänzende Mosaik- und Marmorböden und eine grüne Oase im Innenhof mit Café. Die Dauerausstellung ist noch dazu gratis. Dazu komme ich aber ein anderes Mal wieder. Und dann am liebsten mit Begleitung, um die Werke ausführlichst (und weniger als halbwissend) kommentieren zu können!